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Richtig Atmen- Wie es dich effizienter und stärker macht

    Richtig Atmen

    Der heutige Gastartikel hat es in sich: es dreht sich alles um’s richtig Atmen.

    Er ist von Martin Breternitz. Martin ist HKC Instruktor in der KRABA Erfurt und KRAV MAGA Practitioner Level III (Self Defence Trainer beim PSV Erfurt).

    Willst du effizienter und stärker durch dein Training gehen und einen stressfreien Alltag erleben, lies dir diesen Artikel aufmerksam durch.

    Probiere auch die Übungen aus, um direktes Feedback zu erhalten. 

    Viel Spaß beim Lesen! 

    Wir tun es ständig, überall und es führt kein Weg daran vorbei: Atmen. Und wie wir atmen, bestimmt unser gesamtes Leben.

    Meistens fällt uns nur auf, dass wir überhaupt atmen, wenn irgendwas nicht so ganz richtig läuft.

    Nimmst du die Treppe oder musst einen schnellen Sprint zur Bahn hinlegen, fällt es dir dann schwer, wieder an Luft zu kommen?

    Im Gym hechelst du manchmal nach dem ersten schweren Satz schon wie ein Hund bei 40° Grad im Schatten?

    Und beim Finisher ist dann alles endgültig vorbei, weil die Lunge bis zum Geht-nicht-mehr brennt?

    Und es ist nicht nur das –Ärgerst du dich manchmal über jemanden und merkst, wie du dich verspannst und wütend wirst? 

Im gestressten Alltag findet kaum einer mittlerweile die Zeit, zwischendrin einfach mal „durchzuatmen“.

    Kann es sein, dass wir diese Phänomene – und Probleme – beeinflussen können, durch die Art und Weise wie wir atmen?

    Fokussiert man sich mittels der Atmung auf sich selbst, rückt auf einmal alles in Perspektive.

    Noch viel wichtiger: 

Die Atmung ist der Schlüssel zur bewussten Entspannung und sie verhilft gleichzeitig zu mehr brutaler Kraft, mehr Ausdauer und mehr Konzentration.

    Richtig Atmen: Wir müssen die fundamentalen Muster des Atmens wieder entdecken und neu lernen.

    Nur, gibt es denn den einen Weg, richtig zu atmen?

    Nein. Entscheidend – wie für alle Dinge im Leben – ist die Zielsetzung.

    Zielsetzung kann beispielsweise sein: stärker zu werden, bei Sport länger durchzuhalten, den Alltagsstress zu verringern oder sogar – eine Ebene „tiefer“ – richtig Atmen als Teil einer Körperpraxis praktizieren (sprich: old school Yoga).

    Ich habe gerade vom Atmen als fundamentalem Bewegungsmuster gesprochen. Eine recht gewagte These, aber doch finde ich das Wort treffend.

    Der Begriff in der Sportwelt stammt aus dem Kontext der 6 natürlichen, grundlegenden menschlichen Bewegungsmuster, vertreten und popularisiert beispielsweise durch Dan John und viele mehr.

    Meine These: Atmen ist ein fundamentales menschliches Bewegungsmuster!

    Aber ich meine Atmen als Bewegungsmuster in einem etwas grundlegenderen Sinne: auf einer grundlegend biologischen Ebene müssen wir wieder lernen, richtig zu atmen – Atmen als eine Art fundamentales, weil lebenswichtiges biologisches „Programm“.

    Die Möglichkeiten, die einem dies eröffnet sind unheimlich vielfältig und können dir viele Vorteile bringen!

    In diesem mehrteiligen Artikel über das „richtig Atmen“ auf Vereinfache Dein Training gehe ich auf ganz verschiedene Aspekte dieser wichtigen Körperfunktion ein.

    Teil I: Der Menschliche Atemapparat. Biologische Grundlagen des Atmens

    Wie komme ich eigentlich auf so ein Thema? Mein Hintergrund: ich spiele seit achtzehn Jahren professionell ein Musikinstrument, dass nur durch Luft und dessen kontrollierte Führung – mit der richtigen Atemtechnik –  Töne produzieren kann (das Saxophon).

    Im Musikstudium und später, als ich selbst unterrichtete ist mir immer wieder aufgefallen, wie wenig Leute 

a) verstehen, dass die Atemtechnik und deren Perfektionierung eins der zentralen Elemente aller Blasinstrumente sind und
 b) eigentlich kaum jemand ein schlüssiges und einfaches Konzept zum Unterrichten von Atemtechniken hat.

    Ich musste mich also schon immer mit Atemtechniken und Luftführung auseinandersetzen, wenn ich besser werden wollte. 

Irgendwann habe ich mit dem Laufen angefangen und gemerkt, dass eine kontrollierte (getimte) Atmung mir hilft, länger, entspannter und schneller zu Laufen. 

Letzten Winter ging es dann so richtig ab – durch einen Freund wurde ich auf Wim Hof, den Iceman, aufmerksam (danke Louis).

    Zu seiner Methode schreibe ich noch ein paar Sätze im zweiten Teil der Atem-Serie. 

Seitdem lese ich so ziemlich alles über Atmen, was ich finden kann und habe eigene Konzepte und Methoden basierend auf der existierenden Forschung und Wissen entwickelt, wie man im Kraft- und Kampfsport effizienter atmen kann.

    Aber bevor ich dazu komme, müssen wir uns zumindestens einmal kurz über die Grundlagen des menschlichen Atemsystems unterhalten.

    Natürliches Atmen und wie unnatürliches Atmen automatisch Stress auslöst

    Frag dich mal bitte selbst: Wie atmest du im Alltag?

    Wie ich am Anfang schon gesagt habe: Atmen ist ein fundamentales Bewegungsmuster, dessen Bedeutung und natürlichen Ablauf wir in der heutigen Zeit so gut wie verlernt haben. Die Folgen davon sind Stress, häufiges Seufzen oder Gähnen, schlechter Schlaf und Kurzatmigkeit im Alltag und beim Sport.

    Zu lernen, wieder richtig zu atmen kann uns dabei helfen, das Problem anzugehen.

    Wichtig zu wissen ist, dass es grundsätzlich zwei verschiedene Arten zu Atmen gibt, sozusagen zwei biologische „Programme“. Beide haben ihre Berechtigung, meistens setzen wir sie aber falsch ein.

    Der erste Modus ist die Clavicular-Atmung (Clavicula, lat.: Schlüsselbein), auch Thorakal-Atmung genannt. Besser kennst du sie als „Schnappatmung“ – das Atmen geht vom Brustkorb aus. 

Die allermeisten Menschen atmen unbewusst so im Alltag.

    Der eigentliche Sinn dieser Atmung ist die schnelle Bereitstellung von Sauerstoff als Energieträger – die Atmung ist also nützlich in Situationen, in denen Kampf oder Flucht angesagt ist (engl.: Fight-or-Flight). 

Der Körper geht unmerklich automatisch in den Kampf-oder-Flucht-Modus, mechanisch wird die Produktion von Stresshormonen angeregt.

    Der zweite Modus (die natürliche Atmung) ist die Zwerchfell-, bzw. Diaphragmale Atmung (auch: Abdominal-Atmung – in den Bauch), die im Optimalfall in Ruhephasen das dominante Atemmuster sein soll. Die Bewegung des Bauchraums sollte kaum sichtbar von außen sein.

    Diese Atmung ist die „natürliche“ Atmung des Menschen – übrigens auch aller anderen Säugetiere. Als Kleinkinder mussten wir nie einen Gedanken an Atmung verschwenden, und doch haben wir damals alle „in den Bauch“ geatmet.

    Das Zwerchfell (engl.: Diaphragm) ist ein Muskel, der durch Anspannung in der Körperebene nach unten geht und so die Lungenflügel erweitert. Der Atem geht also in den Abdominalbereich – den Bauchraum.

    Um sich das Gefühl dieses natürlichen Atmens abzuholen, gibt es zwei simple Übungen für zuhause:

    • Übung 1) Diaphragmales Atmen
    o Atme 3 Sekunden ein, 3 Sekunden aus, 3 Sekunden Pause (für 5 min)
    o Beachte: 1) der Bauch geht dabei nach „außen“; 2) beim Ausatmen kann man zur Verstärkung des Effekts den Bauch in Richtung Wirbelsäule „ziehen“

    • Übung 2) Zwerchfell-Übung
    o sage Tatata (oder Bababa) laut und überdeutlich, artikuliere dabei jeden Konsonant bewusst stark
    o Was sich hierbei im Bauchraum bewegt, ist das Zwerchfell

    Alle Atemübungen sollten übrigens durch die Nase gemacht werden. Die Nase ist das natürliche Atemorgan des Menschen.

    Hier kann ich auch nur in aller Kürze auf die populären Thesen des Atemexperten Patrick McKeown („The Oxygen Advantage“) verweisen, der in seinen Publikationen alle Details zur Nasenatmung und den zwei Atemmustern erläutert.

    Für Leute mit etwas weniger Zeit ist wichtig zu wissen: Diaphragmales Atmen durch die Nase ist die Art zu Atmen, die du im Alltag brauchst, um dich automatisch zu entspannen, besser zu fokussieren und mehr Energie zu haben.

    Teil II: Into the Gym – Atemtechniken für Kraft-, Ausdauer- und Kampfsport

    Wenn du regelmäßig Sport machst, dann weißt du, dass körperliche Fitness – also Leistungsfähigkeit ein Schlüsselfaktor für die maximale Performance ist.

    Mitbestimmend für die körperliche Leistungsfähigkeit ist die Art und Weise, wie du atmest. Zwei Grundsätze hierzu.

    1.) Geht es um Kraftübungen im Maximalkraftbereich (Deadlifts, Squats, Kettlebell Presses, Klimmzüge, Liegestütze, etc.), stelle ich die Frage: 

Wie kann ich jede dieser Bewegungen stärker machen?

    Die Antwort: durch größere und stärkere Anspannung.

    Bei der RKC – der weltweit führenden Kettlebellorganisation – lernen wir: 

 Anspannung = Energie = Kraft

    Das Stichwort hier heißt: Power Breathing. Dabei geht es darum, mittels Luftanhalten (Fachbegriff: Valsalva-Manöver) maximale Spannung im Körper aufzubauen. 

Durch Ausstoßen der abdominalen Luft (Zischgeräusche, Stöhnen, etc.), bringt man die Muskeln dazu, noch stärker anzuspannen und somit noch mehr Leistung zu bringen.

    • Übung: Plank
    • mach eine Plank und stoppe die Zeit, die du diese maximal halten kannst (1 min, 5 min, 10 min…)
    • Danach gehst du wieder in die Plank-Position
    • Diesmal atmest du in den Bauch ein, atmest ein bisschen wieder aus und machst dich danach so fest wie du nur kannst (Anspannen des Core-Bereichs und Anhalten der Luft)
    • die Übung sollte diesmal deutlich schneller vorbei sein, als vorher.
    • Was denkst du, welche der beiden Varianten mehr Energie erfordert hat, also schwerer war?

    Schauen wir uns das im Detail für die verschieden Übungsarten an.

    Grinds – wie beispielsweise Turkish Get Ups – gehen effizienter mit kontrollierter Nasenatmung.

    Es geht darum, zu lernen, die Kontrolle über die Atmung ausüben: die Muskelspannung, die man durch das Valsalva-Manöver, bzw. das Power-Breathing erreicht, kann, wenn man es übt, graduell verstärkt und abgeschwächt werden. 

Man kann also lernen, unter konstanter Spannung zu stehen und trotzdem kontrolliert weiter zu atmen (atmen „hinter den Schild“).

    Wir können lernen, die Corespannung als „Waffe“ zielgerichtet und graduell, wie eine Art Lautstärkeregler einzusetzten.

    Die Atmung soll uns letztlich ja helfen und nicht limitieren!

    Bei dynamischen Lifts (Kreuzheben, Squats, etc.) ist die Regel:

    • exzentrische Bewegung LANGSAM (Runtergehen in der Squat , das Ablassen beim Kreuzheben und
    • konzentrische Bewegung SCHNELL Aktiv Ausatmen, Passiv ein, „hinter den Schild“

    Die Atemtechnik wird bei diesen Übungen – neben der Energiebereitstellung– relevant für vor allem drei Dinge:

    • A) Die Vorbereitung des ZNS auf Adrenalinschocks des schweren Gewichts
    • B) Dem Bilden einer Lüftstütze intraabdominal zum Stützen der Wirbelsäule
    • C) Kontrolle und Verstärkung der Kraft durch bewusst erhöhte Anspannung beim Ausatmen (Power Breathing).

    Um effektiv zu sein, brauchst du also ultimativ die Kontrolle über dich und deine Atmung!

    Im Grunde gilt das Prinzip für alle Maximalkraftübungen, als auch für Klimmzüge, Liegestütze, Presses, etc.

    Klar kannst du dich vor dem Lift auch total mit Luft aufpumpen und psychen, aber am Ende schmorst du damit nur das ZNS und verhinderst die Freisetzung von O2 in die Muskeln, weil du das ganze CO2 ausgeatmet hast (Stichwort Bohr-Effekt).

    Zu den Ballistics – also alle schnellen, explosiven Übungen (Kettlebell-Swing, uvm.): es braucht viel weniger Luft rein, als du denkst!

    Vor allem kommt hier alles zusammen: die Stütze, die maximale Spannung, und die Atem-Effizienz! Deine Atemlosigkeit entscheidet über Erfolg oder Nichterfolg.

    Wie lange du durchhältst oder dich wieder erholst hängt von der Effizienz deiner Atmung ab.

    2.) Was den Ausdauerbereich– also Bewegungen mit relativ gesehen wenig maximalem kurzfristigen Energieaufwand, dafür von längerer Dauer – betrifft, lautet der Grundsatz: 

Nur so viel Atmen, wie nötig und wenn, dann durch die Nase.

    Der limitierende Faktor beim Langstreckenlaufen, oder im Kampfsport bspw. beim Sparring, beim Üben von Schlägen, Kombinationen, bei Drills, etc., ist in den allermeisten Fällen deine Atmung!

    Durch Nasenatmung in den Bauch und bewusster Steuerung, also der Reduktion der Atemfrequenz und des Volumens, kannst du lernen, länger durchzuhalten, länger mit dem gleichen Atemrhythmus zu laufen, länger zu schlagen, etc.

    Auch wenn es völlig seltsam klingt: beim nächsten Sparring oder beim nächsten Kraftzirkel beim Training atme bewusst kontrolliert durch die Nase – keine großen Atemzüge während des Sets! – und danach, atme dich langsam und kontrolliert runter (langsam durch die Nase in den Bauch).
 
Der Trick ist, immer ein klein bisschen weniger Luft zu holen, als du gerne möchtest.

    Der Körper fährt automatisch runter, reguliert zur normalen Atemfrequenz und du darfst den anderen beim Keuchen erfrischt lächelnd zuschauen.

    Wer tiefer in die Ausdauer-Sparte einsteigen möchte, auch und gerade dem sei nochmal Patrick McKoewns Buch The Oxygen Advantage ans Herz gelegt. McKeown hat zahlreiche elaborierte Techniken und Trainingsmethoden, die jedem ambitionierten Ausdauersportler um Welten voranbringen können.

    Du siehst, die Atmung – setzt du sie bewusst ein – ist der Schlüssel zur bewussten Entspannung und sie verhilft gleichzeitig auch zu brutaler Kraft, Ausdauer und Konzentration.

    Ich hoffe, ich konnte dir einige Einblicke in die Welt der Atemtechniken vermitteln und ein paar neue Informationen und Übungen deinem Arsenal hinzufügen.

    Wie du siehst, habe ich dir nicht zu viel versprochen. Sollte dich das Thema Atmung interessieren, frage ich Martin ob er hier auf dem Blog noch einmal im Detail auf die Themen Atemtechniken zur Alltagsstressbewältigung und Meditation, bzw. Body Hacking eingeht.

    Hinterlasse einfach einen Kommentar unter dem Artikel, wenn du mehr wissen möchtest.

    Wenn du direkt von Martin lernen möchtest, kannst du zu einem seiner Seminare 
in die Kraft- und Bewegungsakademie Erfurt kommen. Er bietet regelmäßig Seminare zum Thema „richtig Atmen“ an. Dort vermittelt er ein breites Spektrum an Grundlagen des Atmens und Techniken der effektiven Kraftsportatmung (mehr Informationen).

    Hier ist noch ein schöner abschließender Satz von Martin:

    Wie wir atmen, bestimmt letztlich unser ganzes Leben. Wirst du besser im Atmen, fällt dir dein Leben garantiert ein ganzes Stück leichter!