Zum Inhalt springen

Wann und welche Medizin im Training – Atemübungen, Mobilisation, Aktivierung & Co

    Atemübungen - Mobilisation - AktivierungMedizin. Als Kind habe ich sie gehasst. Ein notwendiges Übel, um schneller gesund zu werden. Nicke kurz mit dem Kopf, hast auch du gerade eine ekelhaft schmeckende Flüssigkeit vor Augen. Jeder von uns hat so eine Erinnerung. Es war ekelhaft aber es half.

    Im Training gibt es das auch. Korrekturübungen. Diese schmecken nach nichts, fühlen sich jedoch ekelhaft an. Wie Medizin, machen dich diese Übungen, wohl dosiert, gesünder oder zumindest besser. Als Kind hast du geschluckt was Mama oder der Onkel Doktor gesagt haben. Beim Training ist es nicht ganz so einfach.

    Die Frage nach der richtigen Einnahme:

    Zuerst musst du wissen was du hast. Ohne Diagnose, keine Behandlung. Wäre doch blöd, wenn du Fieberzäpfchen nimmst obwohl du nur einen kleinen Schnupfen hast. Medizin im Training sollte dazu führen, dass du beweglicher wirst und Bewegungen besser oder leichter ausführen kannst.

    Ich unterscheide dabei:

    • in kurzfristige Einnahme mit schneller Wirkung.
    • in langfristige Einnahme mit nachhaltiger Wirkung.

    Beides ist wichtig und greift ineinander. Die Diagnose ist klar. Mehr Beweglichkeit muss her.

    Doch welche Medizin sollst du einnehmen, um dieses Ziel zu erreichen? 

    Wir sind alle unterschiedlich. Was mir hilft, muss zwangsweise nicht automatisch dir helfen. Und das ist eine gute Nachricht. Vielleicht brauchst du eine wesentlich geringere Dosis als ich, um das gleiche Ziel zu erreichen. Beginnen wir mit der kurzfristigen Einnahme.

    Hier ist die Medizin die wir haben: 

    1. Atmung
    2. Mobilisation
    3. Aktivierung
    4. Variation

    #1 Atmung

    Atmen ist das einfachste und doch komplexeste was wir tun. Ohne darüber nachdenken zu müssen, tust du es einfach. Was dabei passiert, ist komplex. Die Atmung hat Einfluss auf alles was du tust. Ja, auch auf deine Beweglichkeit.

    Verfügst du über die Mindestvoraussetzung an Mobilität für ein optimales Atemmuster (hast du diese nicht, müsstest du erst da ansetzen, um nicht ein ineffizientes Atemmuster zu festigen – aber das ist Stoff für 20 andere Artikel), solltest du atmen üben. Atmest du bewusst, kannst du damit im Handumdrehen mehr Bewegungsumfang auslösen.

    Langes, tiefes ein- und ausatmen, wirkt Wunder. Die Länge und Tiefe des Atems stimuliert den Nervus vagus. Dieser ist verantwortlich für das Herz und beeinflusst den Herzschlag und den Parasympathikus (auch als „Ruhenerv“ oder „Erholungsnerv“ bezeichnet). Kurz, die Muskelspannung wird im gesamten Körper verringert.

    Hier sind zwei meiner Favoriten:

    Krokodilsatmung

    Krokodilsatmung ist eine Übung aus dem Yoga. Es ist die einfachste Übung, um zu lernen, wie du richtig mit dem Zwerchfell atmest. Du liegst in Bauchlage auf dem Boden mit der Stirn auf deinen Handrücken. Die Halswirbelsäule ist in Verlängerung mit dem Rest zur Wirbelsäule. Liege so entspannt wie möglich. Atme tief über die Nase in deinen Bauch. Du solltest spüren, wie dein Bauch in den Boden und deine seitlichen Bauchmuskeln nach außen gedrückt werden. Dein unterer Rücken hebt und senkt sich leicht mit jedem Ein- und Ausatmen.

    Ich führe am liebsten 30 Atemzüge aus jedoch kannst du dir auch einen Timer stellen. Fünf Minuten können einen echten Unterschied machen. Krokodilsatmung hat einen großen Einfluss auf die Mobilität der Brustwirbelsäule. Und das hat wiederum positive Effekte auf Beweglichkeit und Funktion des Schultergürtels. Außerdem ist diese Übung der absolute Stresskiller.

    Ich habe zwei kleine Aufgaben für dich:

    1. Probier es aus. Leg dich auf den Boden und führe fünf Minuten lang die Atemübung aus.
    2. Teile diesen Artikel mit jemanden der ständig im Stress ist. Er oder Sie wird es dir danken!

    90/90 Atmung

    Zu meiner RKC II Zertifizierung habe ich diese Übung das erste Mal vor Belastung gemacht. Max Shank, unser Master RKC bei dieser Ausbildung integrierte sie in unser Warm Up. Der Unterschied an Beweglichkeit war deutlich. Das ist mir im Gedächtnis geblieben. Du startest in Rückenlage mit den Füßen an einer Wand. Knie- und Hüftgelenke sind 90 Grad gebeugt. Achte darauf entspannt zu liegen. Der untere Rücken hat Kontakt zum Boden. Atme tief über die Nase ein. Halte den Brustkorb unten. Stell dir beim Ausatmen vor, du würdest einen Ballon aufblasen.

    Extra Tipp: Sitzt du häufig oder bereitest dich auf schwere Kniebeugen vor, probier diese Variante aus. Halte einen Foam Roller zwischen den Beinen, um die Adduktoren zu aktivieren. Die Fersen ziehst du nach unten Richtung Boden, um die Hüfte leicht zu heben und die Beinbeuger zu aktivieren. Jetzt atmest du wieder langsam tief in den Bauch ein, während du die Zunge an den Gaumen presst, und über den Mund aus, als ob du einen Ballon aufblasen wolltest. Pausiere nach dem ausatmen für 2-3 Sekunden bevor du wieder einatmest.

    Hier ist ein kurzes Video zu den Atemübungen:

    Achte bei den Atemübungen darauf entspannt zu liegen und die Schultern nicht nach oben zu ziehen. Das Ziel sollte immer sein, so tief wie möglich in den Bauch einzuatmen. Unser stressiger Alltag lässt uns das natürliche Atemmuster vergessen. Wir befinden uns zu viel in der Stressatmung. Das verspannt den Nacken, weil du mit jedem Atemzug kleine Shrugs mit den Schultern machst, während du flach in den Brustkorb atmest. Allein wegen dieser Tatsache solltest du ein- bis zweimal am Tag Atemübungen ausführen.

    Bester Zeitpunkt? 

    Vor dem Training und nach dem Training. Vor Trainingsbeginn holst du dir neue Bewegungsumfänge, um besser oder leichter in die Bewegungen und Übungen zu kommen. Nach dem Training leitest du die Regeneration ein, indem du deinen Körper wieder runterfährst, den Muskeltonus verringerst und auch mental in einen anderen Zustand kommst.

    #2 Mobilisation 

    Zeit die Gelenke zu schmieren. Ziel der Mobilisierung sollte sein, alle Gelenke durchzubewegen. Idealerweise über den vollen Bewegungsumfang und alle möglichen Achsen. Fang mit kleineren Bewegungen an und mach sie dann immer etwas weiter. Du hast bei der Übungsauswahl alle Möglichkeiten. Für jedes Gelenk gibt es unzählig viele Übungen. Schaue ich mir die Nachrichten an, die ich jede Woche bekomme, ist das kein Vorteil. Es herrscht Verwirrung.

    Mein Tipp: Mach Kreise, wenn du nicht weißt wie du anfangen sollst.

    Kreise mit dem Kopf, den Händen, den Armen, mit dem Körper, den Beinen und mit den Füßen. Hier kannst du nichts falsch machen. Beschäftigst du dich schon länger mit dem Thema, hast du bestimmt schon ein paar Lieblingsmobilisationen. Wichtig bei der Mobilisation ist, nichts zu erzwingen. Du solltest immer lächeln und atmen können. Du willst deinen Köper nicht erneut stressen, nachdem du so schön deine Atemübungen gemacht hast.

    Hier ein Beispiel einer Mobilisation die du perfekt vor dem Training ausführen kannst.

    Bester Zeitpunkt? 

    Kurz vor dem Training, zwischen Kraftübungen und optional nach dem Training. Deine Gelenke mögen es, wenn du sie vor Belastung komplett durchbewegst. Nach zwei Kraftübungen ist ein perfekter Zeitpunkt für Korrekturen. Die ideale aktive Pause. Mobilisiere die beteiligten Gelenke der Kraftübungen oder bereite schon die nächsten Bewegungen vor. Ich setze nach dem Training aufs atmen. Im Anschluss ans Training alle Gelenke sanft durchzubiegen, hat jedoch auch Vorteile. Du hilfst die Stoffwechselendprodukte vom Training schneller abzutransportieren, was die Regeneration beschleunigt.

    #3 Aktivierung

    Aktivierungen habe ich lange unterschätzt. Im Prinzip aktivierst du beim atmen und mobilisieren auch schon die beteiligte Muskulatur. Aber durch gezielte Aktivierung, geht noch mehr. Aktivierst du Muskeln macht dich das beweglicher, stabiler, stärker und die Gefahr sinkt dich im Training zu verletzen. Es gibt Muskeln die verlernen was sie tun sollen. Ein anderer Muskel übernimmt dann die Arbeit (meist Muskeln die für die Stabilisation zuständig sind und nicht, um dynamisch zu arbeiten – Überlastung ist die Folge). Wecke über Aktiviergunsübungen die Muskeln auf, die ihren Job nicht machen. Und bevor du jetzt sauer auf den Muskel bist, es ist deine Schuld. Durch unseren einseitigen Alltag und Bewegungsmangel, vergessen bestimmte Muskeln einfach was sie tun sollen. Dein Hinterteil kann dir davon ein Lied singen. Ein Grund mehr warum du deinen Po trainieren sollest.

    Bester Zeitpunkt? 

    Der ideale Zeitpunkt ist direkt vor einer Übung, wo die Muskeln, die du aktivierst, die hauptsächliche Arbeit verrichten. Hier ein Beispiel. Der Liegestütz ist eine Übung in der du den Oberkörper Druck trainierst. Du benutzt zwar die Druckmuskulatur im Oberkörper, das Bewegungsmuster ist jedoch der Frontstütz. Hier musst du deinen Körper horizontal stabilisieren. Diese Aufgabe übernimmt die rumpfstabilisierende Muskulatur. Und die solltest du anknipsen. Danach fällt es dir leichter dich zu stabilisieren und das ermöglicht, mehr Fokus auf den Druck zu legen.

    Meine Wahl für die Aktivierung der rumpfstabilisierenden Muskulatur: 

    • Rollen über den Ober- und Unterkörper
    • Krabbeln
    • Front- und Seitstütz halten
    • Hollow Body hold

    Gibt es mehr? Klar. Hier sind weitere Stabilisationsübungen. Du benötigst beim Liegestütz stabile Schulterblätter. Während du beugst und streckst, sollten deine Schulterblätter in Position bleiben. Hochgezogene Schultern sind die Hauptursache für Probleme beim Liegestütz. Schultern und Ohrläppchen vertragen sich nicht.

    Gute Aktivierungen für die Schulterblattstabilität:

    • der Schulterblatt Liegestütz (Scapula Pushup)
    • Turkish Get Up mit leichten Gewicht (eine der besten Mobilisations- und Aktivierungsübungen für den gesamten Körper)
    • Krabbeln (ja, schon wieder – Krabbeln ist einfach super)
    • Schulterblatt Klimmzüge (Scapula Pull Ups)

    Das sind nur ein paar Beispiele die mir spontan einfallen. Es gibt noch viele mehr.

    #4 Variation

    Zeit für ein bisschen Voodoo. Dieser Teil ist optional.

    Kennst du das? Du freust dich schon den ganzen Tag aufs Training. Ganz besonders auf eine bestimmte Übung. Und dann, als diese an der Reihe ist, fühlt es sich falsch an. Irgendwie hackt es. Die Bewegung ist unrund oder fühlt sich schwerer an als sie sollte. Das ist Feedback. Gehst du nicht total betäubt (vom Facebookfeed, Wandspiegeln oder anderen Ablenkung) durchs Training, spürst du das.

    Was kannst du tun? Variiere die Bewegung. Nehmen wir an, die Übung auf die du dich so gefreut hast, ist konventionelles Kreuzheben (im Ernst, wer freut sich nicht darauf ?). Nachdem dir dein Körper mitgeteilt hat, dass konventionelles Kreuzheben heute uncool ist, hast du mehrere Möglichkeiten.

    Das kannst du tun, um Variation ins Spiel zu bringen:

    • Variiere den Stand – Breiter (Sumo Kreuzheben), Split (Jefferson Kreuzheben), Einbeinstand (einbeiniges Kreuzheben)
    • Variiere das Gewicht / die Intensität – Gehe schwerer oder leichter.
    • Variiere die Wiederholungen – Erhöhe die Wiederholungszahlen oder verringere sie.
    • Eine Kombination aus allem

    Bester Zeitpunkt? 

    Wenn du weißt, wie du testen kannst, direkt vor oder nach der Übung. Das erste Mal las ich bei Adam T Glass über BioFeedback, konnte aber nicht viel damit anfangen. Später landete ich durch Zufall bei David Dellanave aber verlor wieder den Fokus. Als dann Max Shank in seinem Programm „Ultimate Athleticism“ (im Videobereich) auch wieder darauf einging, begann meine Recherche. Diese brachte mich wieder zurück zu David Dellanave und seinem Programm „Off the Floor„. Seit dem ist BioFeedback fester Bestandteil in meinem Training.

    Hier sind zwei Möglichkeiten zu testen:

    #1 Seitliches Arm heben

    #2 Zehen greifen

    Biofeedback Armheben Toetouch

    Die Idee ist, das erste Gefühl von Widerstand oder Spannung irgendwo im Körper als Messpunkt wahrzunehmen. Danach führst du die Bewegung/Übung/Variante durch und testest erneut. Ist der Widerstand oder die Spannung geringer? Cool – grünes Licht. Ist sie gleich oder schlechter – Nicht cool – teste eine andere Variante.

    Hier ist ein Video von David, wo er es anhand des Kreuzheben erklärt:

    Das waren die Möglichkeiten der kurzfristigen Einnahme und schnellen Wirkung.

    Kommen wir zu den Möglichkeiten der langfristigen und nachhaltigen Einnahme. 

    #1 Atmung

    Mach dir deine Atmung so oft es geht bewusst. Stressige Situationen im Alltag, verändern deine Atmung. Du atmest flacher und schneller. Mediation ist eine der besten Möglichkeiten dies zu durchbrechen. Keine Angst, du musst dich zu keinem Kurs anmelden. Nimm dir einfach ein paar Minuten und setz dich bequem hin. Versuche dich nur auf deine Atmung zu konzentrieren. Tief über die Nase einatmen und langsam wieder über die Nase oder Mund aus. Du kannst hier nichts falsch machen. Dein Kopf gibt anfangs ordentlich Gas. Ein Gedanke nach dem anderen wird aufpoppen. Das ist in Ordnung. Lass sie kommen. Nimm sie wahr und konzentriere dich einfach wieder auf deine Atmung. Fünf Minuten reichen zu Beginn. Du wirst automatisch verlängern, wenn du merkst wie gut es dir tut.

    Kleine Empfehlung: Anfangs hat mir die App von 7mind.de geholfen. Sie ist kostenlos und bietet dir einen netten Einstieg in die Meditation.

    #2 & 3 Mobilisation / Aktivierung

    Bleiben wir bei fünf Minuten. Hier hatte ich beschrieben, wie fünf Minuten dein Leben und Training verändern werden. Trinkst du jeden Morgen zwei Gläser Wasser und führst danach einen 5-Minuten-Flow aus, hat das einen extremen Übertrag auf deinen gesamten Tag. Tägliche Mobilisation verändert alles zum positiven. Fokus auf täglich. Kein Problem, wenn du es am Morgen nicht schaffst. Versuch es in der Mittagspause. Hier ist eine kleine Playlist von kurzen Bewegungsroutinen, um dir ein paar Ideen zu liefern.

    Woher weißt du ob die Medizin hilft?

    Teste sie!

    Dein Körper ist großartig. Wie unter Variation beschrieben, gibt er dir permanent Rückmeldung.

    Im Zweifel teste, nachdem du die Medizin genommen hast, ob:

    • du dich besser fühlst
    • beweglicher bist (siehe Test unter Variation)
    • dir Übungen leichter fallen
    • du mehr Kraft hast
    • du dich besser konzentrieren kannst

    Fazit:

    Auch wenn Medizin nicht schmeckt, nimm sie! Es wird sich schnell und langfristig für dich auszahlen. Du weißt jetzt welche es gibt und wie du sie testest. Experimentiere mit Atemübungen, finde die beste Mobilisation, nutze die Aktivierung mit dem höchsten Potential und gib Gas mit der effektivsten Variation für dein Training.